Was tun, wenn der Partner oder Chef ein Narzisst ist?

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Narzissten sind ausserordentlich interessante, weil ambivalente Persönlichkeiten. Eloquent, redegewandt und oftmals unterhaltsam punkten sie beim ersten Eindruck. Ihr toxisches Verhalten bleibt oft lange Zeit unbemerkt. Irgendwann kommt aber bei jedem der Moment, in dem sich der manipulative Nebel lichtet und man erkennt, dass man in die Fänge eines Narzissten geraten ist. Was kann man in einem solchen Fall tun, um sich zu befreien?

Ähnlich oft, wie ich gefragt werde, was man im Umgang mit Cholerikern tun kann, werde ich um Rat gebeten, was den Umgang mit Narzissten betrifft. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob es wirklich darum geht, wie man mit einem Narzissten klarkommen soll, oder eher um die Frage, wie man ihn aushalten kann. Die Fragestellung mag spitzfindig klingen, bringt aber ein wichtiges Dilemma im Umgang mit Narzissten zutage: Irgendwie haben sie etwas – dieses ganz besondere Extra. Ist man erst einmal in das Netz eines Narzissten geraten, kommt man nur schwer wieder heraus.

Der Narzisst als Partner
Narzissten als Partner sind eine echte Herausforderung, denn immer geht es ihnen darum, ihren Selbstwert zu steigern. Auf der einen Seite scheuen und verweigern sie Intimität und betonen ihre Autonomie. Auf der anderen Seite sind sie extrem eifersüchtig und besitzergreifend. Hinzu kommt, dass sie nachtragend und rachsüchtig sind. Die Gefahr ist daher gross, dass sich andere durch dieses Verhalten einschüchtern lassen. Aus Angst vor den Wutanfällen tritt man die Flucht nach innen an und verleugnet die eigenen Bedürfnisse. Es kostet viel Energie und Geduld, dieses Verhalten zu ertragen.

Was tun?

  • Das wichtigste Hilfsmittel: Grenzen setzen! Und zwar von Anfang an! Ihr Gegenüber kritisiert Sie in der Öffentlichkeit oder fängt an, Sie kleinzumachen? Nehmen Sie das nicht «um des lieben Friedens willen» hin. Wehren Sie den Anfängen! Selbst wenn dies das abrupte Ende einer neuen Liebesbeziehung bedeutet. Niemand hat das Recht, Sie blosszustellen oder vor anderen zu massregeln. Seien Sie sich dessen bewusst, dass der Narzisst auf Ihre Zurechtweisung negativ reagieren wird. Vielleicht wird er an die Decke gehen oder tagelang beleidigt sein. Geben Sie nicht klein bei, und lassen Sie sich nicht in einen Machtkampf verwickeln. Fragen Sie sich lieber, ob Sie einen solchen Menschen wirklich in Ihrem Leben haben wollen?
  • Lassen Sie sich nicht blenden! Sobald Ihnen Ihr Bauchgefühl meldet, dass bei Ihrem Gegenüber – so toll er auch sein mag – irgendetwas nicht stimmt, stellen Sie ihm Bushmanns Frage: «Auf einer Skala von 1 bis 7: Wie sehr stimmst du der Aussage zu ‹Ich bin ein Narzisst›?
  • Seien Sie aufmerksam! Hören Sie genau hin, wenn der andere über Fehler und Missgeschicke in der Vergangenheit erzählt. Wenn es immer die anderen waren, dann ist das ein klares Warnsignal.
  • Stärken Sie sich! Je selbstbestimmter und eigenständiger Sie auftreten, desto besser können Sie mit schwierigen Situationen und komplizierten Menschen umgehen. Wenn wir wissen, was wir wollen, ist es leicht, Position zu beziehen und für uns einzustehen. Je besser wir innerlich gefestigt sind, desto stärker sind wir. Das ist umso wichtiger, wenn Sie sich trennen wollen. Das Zürcher Ressourcenmodell bietet sich sehr gut an, um herauszufinden, was man will und wie man sich stärken kann.
  • Achten Sie darauf, dass es Ihnen gut geht. Je besser es Ihnen geht, desto mehr Widerstandskraft haben Sie. Pflegen Sie ein Hobby, treffen Sie sich mit Freunden, machen Sie Spaziergänge, meditieren Sie – alles, was Ihnen guttut, wirkt stärkend!
  • Pflegen Sie Ihre Beziehungen. Narzissten versuchen andere ganz für sich zu gewinnen. Ist man erst einmal isoliert, wird es sehr schwer, dem Netz aus Manipulationen und Intrigen zu entfliehen. Vernachlässigen Sie daher nicht Ihre sozialen Kontakte. Ganz im Gegenteil! Wenn Sie merken, dass Ihr Gegenüber Druck ausübt, Freundschaften zu beenden, oder einen Keil zwischen Sie und andere zu treiben versucht, sollten Ihre Alarmglocken schrillen. Freundschaften zu pflegen bedeutet Austausch und auch Rückhalt in Zeiten der Not, wie etwa bei einer Trennung. Das wissen Narzissten allzu gut, weswegen sie bei ihren Opfern regelrechte Isolationsstrategien verfolgen.
  • Suchen Sie sich Hilfe! Manchmal scheint alles verloren, und man fühlt sich wie in einer Sackgasse, aus der man nicht mehr herauszukommen glaubt. Dem ist nicht so! Suchen Sie sich Hilfe, zum Beispiel bei Therapeuten oder Selbsthilfegruppen. Jeder Schritt raus aus der Abhängigkeit – und sei er noch so klein – ist der richtige Schritt.
  • Geben Sie keine zweite Chance! Seien Sie stark, wenn der narzisstische Partner Sie mit Versprechungen umgarnt, alles würde besser werden oder er/sie würde sich ändern. Wie hoch ist die Chance, dass das wirklich passiert? Wie hoch die Gefahr, dass alles nur heisse Luft ist? Seien Sie sich bei jeder Unterredung zudem bewusst, dass Sie immer das Recht haben, über eine Entscheidung nachzudenken. Narzissten können viel Druck ausüben, so dass Sie aus Angst oder Mitleid in etwas einwilligen, das Sie gar nicht wollen.

Die einzige Person, die man ändern kann, ist man selbst. Deshalb sollten Sie bei allen Überlegungen, wie Sie mit einem narzisstischen Partner umgehen können, immer folgende Frage vor Augen haben: Warum tue ich mir das an? Seien Sie sich dabei bewusst, dass Sie nicht schuld an der Situation sind – auch nicht, dass Sie einem Narzissten auf den Leim gegangen ist. Das kann nachweislich jedem passieren, auch seelisch stabilen Menschen. Es hat nichts mit Ihnen zu tun (auch wenn der Narzisst Sie vom Gegenteil überzeugen will)! Oftmals ist Trennung die beste Lösung. Bereiten Sie diese gut vor, und suchen Sie sich Rückhalt – ob Therapeut, Anwalt, Arzt, Familie, Freunde, Bekannte.

Narzissten als Chef
Insbesondere in Führungspositionen findet man viele narzisstische Persönlichkeiten, weil diese sehr charismatisch sein können. Als Chef muss ein Narzisst nicht unbedingt unerträglich oder zwingend inkompetent sein. Ganz im Gegenteil. Unternehmen können von Narzissten profitieren. Ihr Mangel an Risikobewusstsein und ihr Charisma können ganze Belegschaften beflügeln und Innovationen voranbringen.

Was jedoch schwer zu ertragen ist, sind die fehlende Fähigkeit, Kritik einzustecken oder sich selbst zu reflektieren, das starke Streben nach Dominanz, die ständige Selbstbeweihräucherung und ihr kühles, berechnendes Verhalten. Führung ist für Narzissten nur ein Wort. Was sie machen, ist managen. So steuern und verschieben sie ihre Projekte und Mitarbeiter wie Figuren auf dem Schachbrett, wobei ihr eigener Sieg immer das oberste Ziel ist. Sie sind der Grund für Erfolge. Geht etwas schief, waren es die anderen.

Was tun?

  • Akzeptieren Sie ihn. Versuchen Sie, sich seelisch so unabhängig wie möglich zu machen. Er ist, wie er ist. Liefern Sie sich daher nicht seinem Machtstreben aus: weder mit devotem Verhalten noch indem Sie ihn bekämpfen. Finden Sie besser irgendetwas, das Ihnen am anderen gefällt, etwas, das Sie wertschätzen können.
  • Stärken Sie sich! Wie in einer Partnerschaft gilt: Je autonomer und selbstbestimmter Sie auftreten, umso besser können Sie Distanz halten, narzisstische Entwertungen abwehren und sich selbst behaupten.
  • Seien Sie sich Ihrer Prioritäten und Grenzen bewusst – und setzen Sie diese! Wenn wir wissen, was wir wollen, ist es leichter, Position zu beziehen. Mit gutem Selbstmanagement und ohne aufbrausende Emotionen bleiben wir bei uns. Das wiederum stärkt unsere Selbstwirksamkeit und unser Selbstbewusstsein. Wenn wir uns unserer eigenen Stärken und Grenzen bewusst sind und diese klar vertreten, sind wir schwierigen Menschen weniger ausgeliefert.
  • Setzen Sie Grenzen. Keiner hat das Recht, Sie vor anderen zu kritisieren oder Sie anzubrüllen! Erwarten Sie aber keine Entschuldigung, für einen Narzissten ist das nahezu unmöglich. Jedoch soll er wissen, dass er keinen Freifahrtschein hat, ähnliche Beleidigungen zu wiederholen.
  • Kritisieren Sie nicht – und wenn, dann in homöopathischer Dosierung. Vermeiden Sie spontane Kritikgespräche zwischen Tür und Angel. Bereiten Sie sich stattdessen gut vor, und nutzen Sie feste Feedback-Regeln.
  • Erwarten Sie kein Lob. Wertschätzung von einem narzisstischen Chef zu erhoffen ist ein utopischer Wunsch. Seien Sie stattdessen bei überschwänglichem Lob misstrauisch. Das könnte ein Manipulationsversuch sein, um Sie auszubeuten.
  • Bieten Sie keine Angriffsfläche. Seien Sie bei allen Meetings und Gesprächen gut vorbereitet. Sollte eine Frage Sie doch aufs Glatteis führen, dann sagen Sie ruhig: „Ich werde mich hierzu informieren und Sie in Kenntnis setzen.” Gehen Sie bloss nicht auf verbale Attacken ein, und hüten Sie sich davor, in den Rechtfertigungs- oder Vorwurfsmodus zu verfallen.
  • Passen Sie auf, wie Sie formulieren. Seien Sie sachlich, klar und konkret. Verwenden Sie keine Schachtelsätze, und verzichten Sie auf Weichmacher wie «eigentlich», «sozusagen»  oder «letztendlich». Achten Sie auf Ich-Sätze. Verwenden Sie keine Generalisierungen wie «Alle sind unzufrieden», «Nie kann man es Ihnen recht machen». Vermeiden Sie zudem provozierende Körpersprache wie z.B. mit dem Finger zeigen, aggressive Gesten oder das Gegenüber mit dem Blick zu fixieren.

Eine vorletzte Lösung ist, einen Personalverantwortlichen hinzuzuziehen. Jedes Unternehmen hat eine Sorgfaltspflicht gegenüber seinen Mitarbeitenden. Die Frage ist jedoch, wie gross der Handlungsspielraum der Personalabteilung ist und wie hoch Ihre Chancen sind, etwas Positives für sich zu bewirken.

Wenn alle Stricke reissen, ist die letzte Lösung eine Kündigung. Verweilen Sie nicht zu lange aus Stolz, Angst, Scham oder Pflichtgefühl in einer entwertenden Situation, die Sie womöglich krank macht. Sie haben es verdient, an einem angstfreien Ort zu arbeiten, an dem man Sie und Ihre Leistung schätzt.

 

1 comment for “Was tun, wenn der Partner oder Chef ein Narzisst ist?

  1. Annette
    28. Januar 2022 at 13:58

    Ich hielt meinen narzisstischen Ehemann nur mit Psychopharmaka aus, bis mir die Trennung und Scheidung gelang. Deshalb „Beine unter die Arme“ und raus aus einer solchen toxischen Situation. Je eher je besser und ohne Selbstzweifel oder Angst.

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