Wann Eigenlob nutzt und gar nicht stinkt

Es ist normal und gut, sich über einen eigenen Erfolg zu freuen. Aus Angst, eingebildet oder hochmütig zu gelten, machen sich manche Menschen aber klein. Das schadet dauerhaft unserem Selbstwertgefühl. Eine einfache Technik hilft, Erfolge und Fähigkeiten wahrzunehmen und zu schätzen.


Kennen auch Sie Menschen, die ganz eindeutig etwas toll hinbekommen haben, zum Beispiel allem Lampenfieber zum Trotz eine Rede gehalten haben – und dann trotzdem nicht stolz auf sich sind? Die nur das Negative sehen, sich kleinmachen und selbst zerfleischen? Die Tendenz, eher pessimistisch über die eigenen Fähigkeiten zu denken, hängt stark mit unserem Selbstwertgefühl zusammen. Ist unser Selbstwert durch Kränkungen angeknackst oder generell sehr schwach, helfen positive Erlebnisse oftmals wenig. Dann halten wir leider an den negativen, teilweise selbstzerfleischenden Gedanken über uns fest, statt uns an unseren Erfolgen zu erfreuen und somit zu stärken.

Die eigenen Fähigkeiten wahrnehmen und schätzen

Wie eine allzu negative Selbsteinschätzung auf uns wirkt und wie man sich von diesem Problem befreien kann, damit beschäftigt sich der US-amerikanische Psychologe Peter Zunick von der Ohio State University. Zusammen mit einer Forschungsgruppe hat er eine selbstwertsteigernde Technik entwickelt, die zwar einen komplizierten Namen trägt, nämlich «zielgerichtete Abstraktion» (directed abstraction), die aber einfach und sehr praktikabel ist. Sie ermutigt Menschen mit allzu ausgeprägter Selbstkritik, ihre Erfolgserfahrungen um ein positives Selbstverständnis zu erweitern.
Die Grundidee der zielgerichteten Abstraktion ist, sich nicht einfach nur zu freuen, dass einem etwas gut gelungen ist, sondern sich konkret, also zielgerichtet vor Augen zu führen, welche persönlichen Fähigkeiten zu diesem Erfolg geführt haben. Es wirkt auf uns positiv verstärkend, wenn wir die Gründe des Erfolgs genau sezieren und dabei einen besonderen Fokus auf die eigenen Fähigkeiten und Qualitäten legen, die zu dem guten Resultat geführt haben.

Was habe ich zu meinem Erfolg konkret beigetragen?

Bei der zielgerichteten Abstraktion wird der eigene Erfolg erklärt, indem man überlegt, wie man ihn erreicht hat. Überlegungen wie: «Ich habe den Test gut bestanden, weil ich …», ermöglichen uns, die eigenen Fähigkeiten zu erkennen und wertzuschätzen. Das wirkt wie Dünger für eine Pflanze: Wir nähren damit unser Selbstwertgefühl und steigern unser Selbstvertrauen.

Zunick und sein Team stellten zudem fest, dass vor allem überkritisch denkende Menschen von dieser wohlwollenden Analyse profitieren. In ihren Versuchsreihen fanden sie heraus, dass Probanden, die diese Technik einsetzten, ihre Fähigkeiten auch nach einem zeitlichen Abstand positiv(er) einschätzten.

Es ist ganz wichtig, Erfolge wahrzunehmen und zu würdigen – egal, wie klein sie erscheinen mögen. Gut gemeisterte alltägliche Situationen reichen oft schon aus, um unser Selbstwertgefühl zu beflügeln. Statt die eigenen Fähigkeiten, die zu einem Erfolgserlebnis geführt haben, als selbstverständlich abzutun und kleinzureden, gilt es, sie wertzuschätzen. Sie überhaupt zu bemerken ist der erste Schritt.

Übung: Mit einfacher Stärkenanalyse starten

Wenn Sie bei Ihrer Erfolgsanalyse wie ein Schriftsteller mit Schreibblockade vor einem leeren Blatt Papier sitzen und nicht so recht wissen, wie Sie anfangen soll, kommen Sie mit dieser Übung in die Gänge: Schreiben Sie fünf Stärken auf, die Sie an sich schätzen, und überlegen Sie, in welchen Lebensbereichen diese bereits eine Rolle gespielt haben.
Wählen Sie davon bitte die zwei Stärken aus, die Ihnen am wichtigsten sind. Beantworten Sie dann – am besten schriftlich ‒, warum Ihnen diese beiden Stärken so wichtig sind. Wie beeinflussen sie Ihr Leben? Welchen Einfluss haben sie auf Ihr Selbstbild?

Überlegen Sie sich nun jeden Tag, wie Sie eine dieser Fähigkeiten nutzen können. Schreiben Sie am Abend kurz auf, was Sie erlebt haben, als Sie eine Ihrer Stärken eingesetzt haben. Was haben Sie wie gemacht? Wie haben Sie sich dabei gefühlt?

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