Darf ich vorstellen: Ihr neuer Assistent

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«Ich mag ihn nicht besonders», sagte ich zu meiner Schwester, während ich an meinem Kaffee nippte.
«Naja, er ist… wie soll ich sagen… vielleicht ab und zu ein bisschen übereifrig», sagte sie.
«Übereifrig? Eher wie ein neunmalkluger Siebenjähriger, der viele Bücher liest, aber noch nie im Dreck gespielt hat, weil er keine Freunde hat», sagte ich.
«Du übertreibst. Möglicherweise ist er etwas zu enthusiastisch. Überschäumend vielleicht», antwortete meine Schwester und blies in die Schaumkrone ihres Cappuccinos. «Mir hat er auf alle Fälle schon ein paar Mal geholfen.»
«Mir nicht. Jedes Mal, wenn ich mit ihm zu tun habe, würde ich ihn am liebsten ohrfeigen», sagte ich.
«Wieso denn das?»
«Weil er lügt wie gedruckt und nie das tut, was ich ihm sage!», ereiferte ich mich. «Am Schluss muss ich es trotzdem immer selbst machen.»

Na, ahnen Sie schon, über wen meine Schwester und ich uns da gerade auslassen?

Über ChatGPT natürlich, den Chatbot, der weltweit einen KI-Hype ausgelöst und innerhalb von zwei Monaten 100 Millionen Nutzer angezogen hatte – so auch mich und meine Schwester (zum Vergleich: Instagram brauchte 2,5 Jahre, um genauso viele Leute für sich zu gewinnen). Natürlich kann man geteilter Meinung sein über die Sprach-KI und das aus verschiedenen Gründen. Ich beispielsweise finde, sie taugt nichts, wenn man kreative, frische Texte braucht. Oder man kann sich nicht zu hundert Prozent auf die Informationen verlassen, die sie ausspuckt, sondern muss immer nachrecherchieren. Aber ich will nicht unfair sein: Auch ich finde ChatGPT sehr nützlich und entsprechend benutze ich ihn fast täglich – als Sparringpartner etwa, wenn ich beim Schreiben nicht weiterkomme und eine Idee brauche. Oder wenn ich mir nicht sicher bin, ob an eine Stelle ein Komma gehört.

Wenn man also weiss, wofür man ihn einsetzen kann, taugt ChatGPT definitiv als Assistent. Auch als Ihrer, würde ich behaupten. Denn ChatGPT kann:

  • E-Mails texten: Wenn Sie es eilig haben und nicht lange an einer E-Mail herumdoktern wollen, geben Sie ChatGPT ein paar Stichworte. Heraus kommt ein ansprechend formuliertes E-Mail, inklusive Anrede und Abschluss.
  • Zusammenfassungen schreiben: Sie haben einen längeren Text vor sich und möchten wissen, was die wichtigsten Punkte daraus sind? Kopieren Sie den Text in das ChatGPT-Dialogfeld und bitten Sie die KI um eine Zusammenfassung – sie erhalten präzise und zuverlässige Aussagen, die sie übrigens auch mit ihren Kollegen und Chefs teilen können.
  • Protokolle verfassen: Das kann ChatGPT zwar (noch?) nicht selbstständig. Doch er ist definitiv imstande, aus Ihren Meeting-Notizen einen brauchbaren Text zu formulieren und sinnvoll zu gliedern. Denn das Schöne an ChatGPT ist: Er braucht nicht viele Worte, um recht zuverlässig zu interpretieren, was gemeint ist.
  • Übersetzen: Falls Sie regelmässig mit Kollegen aus der Romandie oder dem Tessin zusammenarbeiten, ist ChatGPT ein echter Segen. E-Mails, Zusammenfassungen und Protokolle übersetzt er problemlos und schnell in die anderen Landessprachen (und viele andere Sprachen mehr).

Was er jedoch nicht kann respektive wobei Sie vorsichtig sein sollten:

  • Vertrauliche Informationen: Teilen Sie nichts mit ChatGPT, das vertraulich ist oder Probleme in Bezug auf Datenschutz bereiten könnte. Wer das genau wissen will, kann dies hier nachlesen.
  • Informationen: Wenn Sie ChatGPT um Workshop-Techniken oder Tipps für effiziente Meetings bitten, dann liefert er tolle Vorschläge. Wollen Sie jedoch wissen, ob ein bestimmtes Ereignis stattgefunden hat oder wer Gemeindepräsident von Oberengstringen im Jahr 2012 war, recherchieren Sie lieber gleich anderswo – denn entweder weiss er es nicht oder erfindet womöglich eine Antwort.
  • Aktualität: ChatGPT greift nicht auf aktuelle Quellen zu – denn die KI ist nicht mit dem Internet verbunden, sondern wird mit Datensätzen trainiert. Wenn Sie ChatGPT also fragen, wer der Präsident von Montenegro ist, sagt er Ihnen zwar, was er weiss. Die Info könnte jedoch veraltet sein (worauf er Sie inzwischen aber auch hinweist).
  • Weltwissen: ChatGPT klingt zwar, als wüsste er alles über die Welt – aber denken Sie daran: Er ist kein Mensch aus Fleisch und Blut, sondern ein künstliches Sprachmodell, das noch nie den Wind in den Haaren gespürt oder sich beim Skifahren das Bein gebrochen hat oder in einer Beziehung das Herz.

Mein Fazit ist also: Wenn Sie ChatGPT schlau einsetzen, kann er Ihnen ein guter Assistent sein; jemand, der Zeit für Sie freischaufelt und Ihnen den Arbeitstag erleichtert. Trotzdem müssen Sie weiterhin Ihren eigenen Kopf benutzen und auf Ihre (menschliche) Intuition vertrauen. Doch dann sind Sie unschlagbar zusammen.

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