Mitarbeitende Mitgliederinnen: Wo Sie beim Gendern aufpassen sollten

«Liebe Mitgliederinnen und Mitglieder»… Sind Sie auch schon einmal so angesprochen worden?

Falls ja: Seien Sie bitte nicht irritiert. Die Verfasserin oder der Verfasser meinte es gut – insbesondere mit uns Frauen. Es ging offensichtlich darum, uns nicht auszuschliessen – oder anders gesagt: möglichst korrekt zu gendern. Nur war es des Guten leider zu viel. (Ich komme gleich dazu.)

Gleichzeitig gibt es Schreibende, die es sich mit inklusiver Sprache etwas gar einfach machen. Sie ersetzen die Endung «-er» kurzerhand durch «-ende» – also «Mitarbeitende» statt «Mitarbeiter» – und lehnen sich dann zufrieden zurück. «Prima. Fertig gegendert», scheinen sie zu denken.

Halb gegendert ist auch daneben

Was in letzterem Fall jedoch übersehen wird: Solche substantivierten Partizipien funktionieren nur im Plural. Dann ist die Form korrekt: «Liebe Mitarbeitende» ist geschlechtsneutral. Nur dann wird tatsächlich inklusiv formuliert, da beide Geschlechter gemeint: die mitarbeitenden Männer und die mitarbeitenden Frauen – theoretisch übrigens auch die mitarbeitenden Kinder (gesetzlich zwar nicht erlaubt, grammatisch hingegen möglich).

Wird die Formulierung «Mitarbeitende» aber im Singular verwendet, ist es mit der Neutralität vorbei – die Geschlechter zeigen sich wieder:

  • der Mitarbeitende und die Mitarbeitende
  • der Fahrradfahrende und die Fahrradfahrende
  • der Bewohnende und die Bewohnende

Der Artikel verrät’s. So hätte man im Satz:

«Wir legen Wert auf ein inklusives Arbeitsklima, in dem jeder Mitarbeitende sich wohl fühlt»

ebenso gut schreiben können:

«… in dem jeder Mitarbeiter sich wohl fühlt.»

Das Resultat wäre dasselbe gewesen – zumal jeder Mitarbeitende (nur) männlich ist. Während also hier der Mann sprachlich sichtbar ist, bleiben die Frauen aussen vor. Hätte man hingegen geschrieben: «ein Arbeitsklima, in dem alle Mitarbeitenden sich wohl fühlen», sähe die Sache wieder anders aus.

Man muss also genau hinschauen. Nicht jeder Formulierung, die gendergerecht aussieht, ist es auch tatsächlich.

Juristische Personen haben kein biologisches Geschlecht

Und dann gibt es jene, die alles gendern, was ihnen unter den Stift kommt. Ich vermute mal, weil sie vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehen respektive vor lauter Sternchen den Nordstern aus den Augen verloren haben. Dann liest man Dinge wie:

  • Bildungsanbietende,
  • touristische Anbieter*innen oder
  • Partner*innenangebote,

obwohl es sich dabei gar nicht um Menschen handelt, sondern um Institutionen. Also um juristische Personen, die kein biologisches, sondern nur ein grammatisches Geschlecht haben.

In der Hitze des Gefechts vergisst man nämlich leicht, worum es beim Gendern eigentlich geht: Dass sich Menschen in einem Text repräsentiert fühlen – oder zumindest nicht diskriminiert. Diskriminiert fühlen können sich aber nur Personen aus Fleisch und Blut. Eine juristische Person hingegen fühlt nichts, weder die Diskriminierung noch die warme Umarmung der Inklusion.

Fazit

Nur weil ein Wort auf «-ende» aufhört, ist es noch lange nicht geschlechtsneutral oder inklusiv. Umgekehrt muss nicht jedes Wort gegendert werden, nur weil es ein weibliches oder männliches grammatisches Geschlecht hat.

Und was ist mit den Mitgliederinnen?

Das Wort «Mitglied» ist neutral. Es bezeichnet den Teil eines Ganzen, das «Mit-Glied», und meint Männer wie auch Frauen. Eine weibliche Variante daraus basteln zu wollen, ist unnötig. Das bestätigt auch der Duden. «Liebe Mitglieder» genügt also völlig.

2 comments for “Mitarbeitende Mitgliederinnen: Wo Sie beim Gendern aufpassen sollten

  1. F.V.W.
    2. Juni 2025 at 17:18

    Der Artikel macht es einmal mehr deutlich: Gendern ist ein ideologisches Projekt und es gehört auch als solches gekennzeichnet. Es besteht keine Pflicht, mitzumachen. Es ist geradezu perfid, zu tun, als ob es hier keine Wahl gäbe, sondern lediglich Richtlinien. Damit soll wohl die Legitimation des Gendern untermauert werden und die Grenzen der aktzeptablen Sprache neu formiert werden.

    Redlicher wäre es, auf die Problematik des Gebrauchs des substantvierten Verbums als Gerundium hinzuweisen (um das geht es nämlich). Da könnte klarer ersichtlich werden, dass das generische Maskulinum in den meisten Fällen anbegrachter und v.a. auch präziser ist. Die Problematik rührt daher, dass das Gerundium wie auch das Gerundivum (also das als adjektiv verwendete Verb) primär dazu dient, ein Kontinuum auszudrücken und nicht eine grundsätzlich vorhandene Eigenschaft markieren soll. Beispiel: Die Mitarbeiterin, die gerade eine Pause macht, ist nicht eine Mitarbeitende, sondern eine Pausierende. Studenten frühmorgens auf dem Bus erscheinen mir vielmehr als Schlafende und ganz sicher nicht als Studierende. Zudem ist auch der Richter froh, wenn er den angeklagten Mörder vor sich hat und nicht den Mordenden! Im letzteren Fall wird besonders deutlich, dass das substantivierte Verb einen ganz anderen Sinn vermittelt; wir hätten es im Gerichtssaal mit einem Unheil zu tun, das die Genderideologen ganz sicher nicht beabsichtigen möchten. Es ist nun allerdings grundsätzlich so, dass mit dem Gerundium eine aktuelle Tätigkeit ausgedrückt wird und nicht eine Bezeichnung wie z.B. ein Beruf oder eine Position.

    Wir sehen schon aus den genannten Beispielen, dass es sinnvoll wäre, in den Schulen wieder vermehrt Grammatik zu lernen, statt das ideologisch gefärbte „richtig gendern“, denn es ist nicht sinnvoll, wenn wir eine angeblich inklusive Sprache wählen und dabei die Aussagen nolens volens verdrehen oder noch im glimpflichen Fall die Präzision der grammatikalisch korrekten Sprache der Ungenauigkeit der Ideologie opfern.

    Es gilt noch zu bemerken, dass die Tendenz, das Substantiv durch die Verbform zu ersetzen, noch eine viel üblere Entwicklung unserer Gesellschaft zum Ausdruck bringt: Der Mensch darf nicht einfach mehr sein, sondern seine Wesensart ist das Tun. Wir erkennen im Menschen nur seine Wertigkeit, wenn er handelt, also ein Handelnder ist. Ergo Studierender, Mitarbeitender etc. Der Mensch als Wesen gibt es in dieser Vorstellung nicht mehr, weil er nicht nützlich ist, d.h. in dem Moment nicht gerade etwas tut. Wir suggerieren, dass wir den Menschen schätzen, wenn er studierend oder mitarbeitend ist, aber können wenig mit ihm anfangen als Leser, Vater, Mutter, Lehrer … oder eben nicht mal als Mitarbeiterin, sprich als Mensch jenseits seiner Nützlichkeit für die Arbeitgeberin.

    Die Genderideologie will uns sagen, dass der Verlust des Menschseins zugunsten des homo faber, also des schaffenden Menschen, akzeptabel sei, weil dadurch angeblich eine neue Gerechtigkeit entstehe. Dem ist natürlich nicht so. Das Hamsterrad ist kein Substitut für die Menschenwürde, egal ob Mann oder Frau oder Kind. Statt ständig in fundamentalistischer Manier auf das Geschlecht zu schauen, wäre es wesentlich sinnstiftender, das Zuhören zu lernen, die Wertschätzung zu üben und die Präzision der Sprache an sich zu schulen. Wir leben in einer Zeit, die für den Kontext oft nicht viel übrig hat, aber ohne diesen gibt es keine Sprache und keine Verständigung — und Gerechtigkeit sowieso nicht. Wer den Menschen ernst nimmt, muss ihn umfassend wahrnehmen und nicht als Schablone ideologischer Vorstellungen. Sonst drohmt ihm genau der Verlust dessen, was er zu schützen vorgibt. Fundamentalistische Methodologie ist da wenig hilfreich und ist in aller Regel ein verlässliches Merkmal ideologischer Absichten.

    • 5. Juni 2025 at 8:48

      Liebe F.V.W.

      Das sind interessante und wichtige Aspekte, insbesondere Ihre Gedanken zum Wert des Menschen jenseits seines Tätigseins. Vielen Dank dafür.

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