Die Frage, wie wir auf andere wirken, wird oft unterschätzt, ist jedoch wichtig, denn sie hat Auswirkungen auf unser Leben: Sie beeinflusst, wie andere uns behandeln – sei es im privaten oder beruflichen Umfeld. Zum Thema, wie Selbst- und Fremdbild manchmal auseinander gehen können.
Meine Arbeit besteht darin, täglich mit Menschen zu kommunizieren, sie «wahrzunehmen» – nicht nur in persönlichen Gesprächen, sondern auch über ihre Bewerbungsunterlagen, die es zu analysieren gilt. Dabei fällt mir immer wieder auf, wie unterschiedlich das Selbstbild einer Person im Vergleich zu dem sein kann, was andere über sie denken.
Dazu ein Beispiel: Kandidatin X kommt zum Interview. Sie hat sich auf eine Position beworben, bei der ich rasch merke, dass sie diese eigentlich gar nicht möchte. Kandidatin X sucht vielmehr den Einstieg ins Unternehmen – völlig legitim – um möglichst schnell weiterzukommen. Sie ist fest davon überzeugt, dass sie schon bald die Position der Senior Assistentin bei unserem Kunden übernehmen kann. Ich hingegen komme zum Schluss, dass es an sprachlicher Eloquenz ebenso hapert wie an fachlicher Qualifikation. Insgesamt ist ihr Interview-Auftritt alles andere als überzeugend.
Wie kommt es also, dass wir uns selbst oft ganz anders wahrnehmen, als andere es tun? Um herauszufinden, wie wir auf andere wirken, rate ich einerseits zur Selbstreflexion, andererseits aber auch dazu, die Meinung anderer einzuholen.
Der erste Eindruck
Wie wir uns selbst betrachten, hängt von einer Vielzahl verschiedener Faktoren ab und diese verändern sich im Laufe des Lebens. In der Psychologie geht man davon aus, dass sich unser Selbstbild stark daran orientiert, wer wir sein wollen – also das Wunschbild, das wir von uns haben.
Als Fremdbild wiederum versteht man das Bild, das andere sich über unsere Persönlichkeit und unser Auftreten machen. Dieses Bild setzt sich zusammen aus Gefühlen, Wahrnehmungen sowie aus Bewertungen unserer Umgebung. Wenn uns eine Person bereits kennt, dann verknüpft sie das Auftreten und Handeln automatisch mit früheren Erlebnissen, die sie mit uns gemacht hat. Ob wir es wollen oder nicht – der erste Eindruck wird durch unbewusste Prozesse beeinflusst, die auf Erfahrungen und Stereotypen beruhen.
Der Macht des ersten Eindrucks, einer sofortigen Beurteilung einer Person, können wir uns also kaum entziehen. Und dieser erste Eindruck bildet die Grundlage für weitere Interaktionen und beeinflusst ebenfalls massgeblich die Meinungsbildung über eine Person. Dabei kann jedes Detail eine Rolle spielen: Die äussere Erscheinung, Körpersprache, Stimme oder Umgangsformen.
Mit Selbstreflexion besser bewerben
Warum aber ist die Frage, wie ich auf andere wirke, im Arbeitsleben und im Rekrutierungsprozess so wichtig? Und was passiert, wenn Selbst- und Fremdbild sich wesentlich voneinander unterscheiden?
- Ein stimmiges Eigenbild führt zu Authentizität im Bewerbungsprozess. Personen, die sich selbst treu bleiben und keine falschen Vorstellungen von sich selbst vermitteln, kommen in der Regel sehr gut an.
- Eine starke Abweichung zwischen Eigen- und Fremdbild kann zu Konflikten oder Missverständnissen führen, deren Ursache man dann vielleicht auf «das waren eben die Umstände» oder «das war reiner Zufall» zurückführt.
- Man unterschätzt sich und traut sich Dinge nicht zu, die man eigentlich schaffen könnte.
- Man überschätzt sich und geht Dinge an, die nicht zu den eigenen Stärken gehören.
- Man übt zu stark Selbstkritik: Manche Menschen sind zu selbstkritisch und sehen nur ihre Schwächen. Das kann zu mangelndem Selbstvertrauen führen.
Aus meiner Sicht lohnt es sich, in die Selbstreflexion zu gehen und um ehrliches Feedback zu bitten, denn ein realistisches Eigenbild ist wichtig, um Stärken und Schwächen zu erkennen. Ich bin überzeugt, dass die gewonnenen Erkenntnisse dabei helfen, neue Ziele zu setzen und Entwicklung voranzutreiben. Denn nur wenn wir uns selbst gut kennen, können wir auch besser mit anderen interagieren und effektiver kommunizieren.