«Eine junge Frau hetzt durch den Wald; sie wird von einem dunklen Schatten verfolgt.»
«Die Leiche wird im Dorftümpel treibend von der Polizei gefunden.»
«Ein bieder aussehender Typ in grünem Hemd und weissen Unterhosen steht vor einem Van mitten in der Wüste von New Mexico. Polizeisirenen heulen. Der Typ ist bewaffnet.»
So fangen Geschichten an, die «in medias res» beginnen. Mitten in der Action also. Wenn Ihre ersten Zeilen in einem Text hingegen lauten…:
«Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass wir, nach monatelangem Testen und eingehender Prüfung, das Produkt X auf den Markt gebracht haben …»
… dann starten Sie nicht in medias res. Ein solcher Texteinstieg klingt eher wie im Konzertsaal das Orchester, das zuerst noch die Instrumente stimmen muss, bevor es loslegt.
Falls Sie sich erwischt fühlen – keine Sorge. Sie sind nicht allein. Viele Texte starten so. Warum? Vermutlich, weil sich die Verfasserin oder der Verfasser noch warmschreibt – er oder sie weiss noch nicht so recht, wie und wo beginnen, und schreibt einfach mal drauflos.
Und wissen Sie was? Das ist völlig legitim. Doch für Ihre Leserschaft ist ein solcher Einstieg eher eine Hürde als ein Gluschtigmacher. Die heutigen Leser sind zudem ein ungeduldiges Völkchen, verwöhnt von einem Überangebot an Content. Jemand braucht etwas länger, um auf den Punkt zu kommen? Schon wischt der Finger über den Bildschirm, der Leser hofft auf etwas Neues, das ihm den ersehnten Dopaminkick verpasst – und zwar jetzt sofort, zackzack, und nicht erst drei Sätze später.
Mein Tipp an Sie lautet daher: Nachdem Sie Ihren Text auf Papier gebracht haben, prüfen Sie, ob Sie die ersten zwei Sätze streichen können. Manchmal kann sogar der ganze erste Abschnitt weg. Wenn Sie nichts streichen können, herzlichen Glückwunsch – dann sind Sie mitten in der Action.
Und sonst: Ohne schlechtes Gewissen weg damit.