Der Fall der Oberärztin: Gibt es ein Recht auf Karriere?

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Rechtsbloggerin Catherine de Sépibus wirft einen Blick auf das Gleichstellungsgesetz und gibt Tipps, wie die tatsächliche Gleichstellung zwischen den Geschlechtern im betrieblichen Kontext wirksam werden kann.

Ende Januar las man in verschiedenen Medien Headlines wie: «Spital diskriminiert Ärztin bei Beförderung» und «Urteil mit Signalwirkung». Was war hier los? Eine festangestellte Oberärztin stand am Anfang einer vielversprechenden Karriere: Sie wollte eine akademische Laufbahn einschlagen. Nach ihrer Schwangerschaft und Mutterschaft fühlte sie sich allerdings ausgebremst vom Spital. Sie brachte vor, ihr sei, weil sie eine Frau sei, eine Beförderung verwehrt worden und sie hätte dadurch weniger Geld vom sogenannten privatärztlichen Pool erhalten. Das erstinstanzliche Gericht entschied nun, dass die Ärztin sowohl mit Ausschüttungen aus dem privatärztlichen Pool als auch hinsichtlich der Beförderung geschlechterspezifisch diskriminiert worden ist.

Dieser Entscheid stützt sich auf das Gleichstellungsgesetz, das die Förderung der tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau bezweckt. Art. 3 Abs. 1 GlG (Gleichstellungsgesetz) hält fest, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufgrund ihres Geschlechts weder direkt noch indirekt benachteiligt werden dürfen, namentlich nicht unter Berufung auf den Zivilstand die familiäre Situation oder, bei Arbeitnehmerinnen, auf eine Schwangerschaft. Absatz 2 dieses Artikels verbietet eine Benachteiligung bei der Beförderung ausdrücklich.

Heisst das, es ist verboten, dass mein Kollege anstelle von mir befördert wird?

Jein. Von einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts spricht man, wenn sich die Ungleichbehandlung ausdrücklich auf die Geschlechterzugehörigkeit oder auf ein Kriterium stützt, das nur von einem der beiden Geschlechter erfüllt werden kann, und wenn sich die Ungleichbehandlung nicht sachlich rechtfertigen lässt.

Wenn Sie gleich gut oder sogar besser qualifiziert sind für eine Beförderung als Ihr Kollege, Sie aber aufgrund der Möglichkeit, dass Sie wegen einer Schwanger- und Mutterschaft länger ausfallen könnten, nicht befördert werden, wäre das ein Verstoss gegen Art. 3 des GlG. Im umgekehrten Fall, das heisst, wenn Ihr Kollege besser oder gleich gut qualifiziert ist wie Sie und die Stelle nicht erhält, nur weil er ein Mann ist, wäre das ebenfalls diskriminierend, es sei denn es gäbe einen sachlichen Grund dafür. Beispielsweise, dass im Rahmen von Gleichstellungs-Massnahmen bewusst Frauen gefördert werden sollen (Art. 3 Abs. 3 GlG). Das Gleiche gilt für eine non-binäre Person, die lediglich wegen des Geschlechts nicht befördert wird.

Was könnte ich in diesem Fall tun?

Sie können den Arbeitgebenden verklagen und beispielsweise die Unterlassung der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts verlangen, wenn die Beförderung noch nicht definitiv ist, aber eine Diskriminierung dadurch droht (Art. 5 Abs. 1 lit. a GlG), oder die Beseitigung der Diskriminierung verlangen, falls indirekt diskriminierende Beförderungskriterien (wie z.B. Militärrang) nicht berücksichtigt werden dürfen (Art. 5 Abs. 1 lit. b GlG).

Ist die Beförderung bereits über die Bühne gegangen, kann auch nur die Feststellung einer Beförderungsdiskriminierung beantragt werden (Art. 5 Abs. 1 lit. c GlG). Geht mit der Beförderung eine Lohnerhöhung einher, ist bei einer Diskriminierung zudem die Lohndifferenz zum höheren Lohn geschuldet, und zwar ab dem Zeitpunkt, ab dem aufgrund der Beförderung ein höherer Lohn bezahlt worden wäre (Art. 5 Abs. 1 lit. d GlG).

Das mag einfach klingen, ist es in der Praxis aber nicht. Obwohl das Gleichstellungsgesetz im Falle der Beförderungsdiskriminierung nur ein Glaubhaftmachen – das heisst keinen strikten Beweis – vorschreibt (Art. 6 GlG), reicht es nicht, wenn nur behauptet wird, die Beförderung sei geschlechterdiskriminierend.

Es empfiehlt sich daher, objektive Unterlagen zu sammeln (wie z.B. Lebenslauf, Stellenprofiletc.), die nahelegen, dass Ihr beförderter Kollege gleich oder weniger gut qualifiziert war wie Sie, sowie weitere Anhaltspunkte aufzuzeigen (Anzahl Männer und Frauen mit Führungspositionen innerhalb der Unternehmung), die für eine Geschlechterdiskriminierung sprechen. Der Arbeitgeberin steht dann wiederum das Recht zu, diese Glaubhaftmachung zu erschüttern. Sie wird deshalb ihrerseits versuchen, eine Ungleichbehandlung glaubhaft zu widerlegen oder sachliche Gründe vorzubringen, die eine Ungleichbehandlung im konkreten Fall rechtfertigen.

Rachekündigung

Achtung: Sollte Ihre Arbeitgeberin Ihnen die Kündigung aussprechen, nachdem Sie eine Beförderungsdiskriminierung geltend gemacht haben, ist diese Kündigung allenfalls als Rachekündigung gemäss Art. 10 GlG anfechtbar. In diesem Fall kann sogar die Weiterführung des Arbeitsverhältnisses beantragt werden. Das war bei der diskriminierten Ärztin der Fall, obwohl sie inzwischen bereits eine neue Stelle hat.

Fazit

Ein Recht auf Karriere kennt das Gesetz nicht, aber ein Recht, die gleichen Chancen zu erhalten, um Karriere zu machen. In der Bundesverfassung ist ein generelles Diskriminierungsverbot verankert. Das Gleichstellungsgesetz stellt zudem verschiedene Mittel zur Verfügung, um eine Beförderungsdiskriminierung aufgrund des Geschlechts wirkungsvoll zu bekämpfen, wie das erwähnte Urteil zeigt.

 

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