Der Arbeitstag ist offiziell vorbei, doch im Kopf rattert es weiter: An den morgigen Meetingraum denken, die Geburtstagskarte für den Kollegen nicht vergessen, den Catering-Service für das nächste Event rechtzeitig buchen. Für viele Assistenzen gehört dieses ständige Mitdenken zum Alltag. Oft unbemerkt und unbeachtet.
Diese unsichtbare Arbeit im Büro wird als «Mental Load in der Assistenz» bezeichnet. Ursprünglich aus dem privaten Kontext bekannt, betrifft sie auch den beruflichen Alltag, insbesondere in Assistenzrollen. Hier summieren sich organisatorische Aufgaben, das Vorausplanen und das stille Kümmern zu einer mentalen Belastung, die selten thematisiert wird.
Zwischen Organisationstalent und Gedankenjonglage
Assistenzen gelten als Multitasking-Profis, Organisationstalente und geduldige Allrounderinnen. Was dabei oft übersehen wird: Die eigentliche Arbeitslast endet nicht bei dem, was im Kalender steht oder auf der To-do-Liste notiert ist. Ein grosser Teil der Leistung besteht darin, den Überblick zu behalten. Mit- und vorauszudenken, Stimmungen aufzufangen und für einen reibungslosen Ablauf zu sorgen – selbst dann, wenn niemand danach gefragt hat.
Ob es darum geht, Termine in stressigen Phasen optimal zu takten, das Präsentationsmaterial noch einmal gegenlesen zu lassen oder die Snacks für ein wichtiges Kundengespräch zu organisieren: Vieles läuft unter dem Radar. Diese Form der Assistenzrolle und Verantwortung lässt sich kaum delegieren oder automatisieren, sie liegt in der Natur der Assistenz. Genau das macht sie so wertvoll, aber auch mental herausfordernd.
Wenn Assistenzrolle und Verantwortungsgefühl zur Belastung wird
Was viele Assistenzen antreibt, ist ein hohes Mass an Verlässlichkeit und Verantwortungsgefühl. Wer «mitdenkt», wird geschätzt, solange alles reibungslos läuft. Doch genau dieses Mitdenken wird schnell zur Falle, wenn es zur Selbstverständlichkeit wird und keine Abgrenzung mehr möglich ist.
Die Folge: ein ständig aktiver mentaler Arbeitsspeicher, der keine Pausen kennt. Statt echter Erholung bleibt das Gefühl, nie richtig abschalten zu können. Schlafprobleme, Gereiztheit, Konzentrationsmangel oder emotionale Erschöpfung können erste Warnzeichen sein. Nicht selten bleibt der Zusammenhang zwischen dieser mentalen Daueranspannung und der eigenen Rolle im Verborgenen. Auch, weil Mental Load in der Assistenz schwer messbar ist.
Sichtbarkeit schaffen
Der erste Schritt liegt darin, die eigene unsichtbare Arbeit sichtbar zu machen. Wer bewusst beobachtet, woran er oder sie alles denkt, was alles «nebenbei» läuft, erkennt schnell, wie viel zusätzliche Verantwortung im Alltag mitschwingt. Eine Woche lang mitdokumentieren, welche Dinge erledigt, organisiert oder geplant wurden, auch ohne expliziten Auftrag, kann aufschlussreich sein.
Diese Sichtbarkeit ist nicht nur für einen selbst hilfreich, sondern auch im Gespräch mit Führungskräften. Denn gerade in der Assistenz gibt es viele Leistungen, die nicht explizit beauftragt, aber dennoch erwartet werden. Wer diese aufzeigt, legt die Grundlage für faire Gespräche über Priorisierung, Ressourcen und Wertschätzung.
Grenzen setzen und kommunizieren
Mental Load in der Assistenz lässt sich nicht vollständig vermeiden, wohl aber steuern. Dazu gehört auch, sich von dem Anspruch zu lösen, immer alles im Blick haben zu müssen. «Ich kümmere mich um alles» ist kein Zeichen von Professionalität, sondern auf Dauer ein Risiko.
Hilfreich ist eine klare Kommunikation von Zuständigkeiten und Kapazitäten. Wer transparent macht, welche Aufgaben gerade anstehen, welche Deadlines drängen und wo die eigenen Grenzen liegen, schafft Verständnis. Tools wie Kanban-Boards, geteilte Aufgabenlisten oder strukturierte Status-Updates können dabei unterstützen.
Austausch unter Kolleginnen nutzen
Mental Load ist selten ein individuelles Problem, sondern ein strukturelles. Umso wichtiger ist der regelmässige Austausch mit Kolleginnen und Kollegen, um Erfahrungen zu teilen, sich zu entlasten und neue Perspektiven zu gewinnen. Solche Gespräche schaffen Raum für Reflexion. Ob im direkten Kolleginnenkreis, über informelle Netzwerke, bei «Lunch & Learn»-Formaten oder durch Mentoring-Programme im Unternehmen.
Besonders wirkungsvoll sind Angebote, die gezielt auf die besonderen Herausforderungen von Assistenzen eingehen. Networking-Anlässe für Assistenzen bieten oft einen geschützten Rahmen für kollegiale Fallberatung und ermöglichen, sich Impulse auf Augenhöhe mitzugeben. So entsteht nicht nur ein Austausch über Lösungen, sondern auch echte Bestärkung im beruflichen Alltag.
Fazit
Die Assistenz ist längst mehr als nur eine ausführende Rolle. Sie ist kommunikative, organisatorische und emotionale Schaltstelle. Mental Load in der Assistenz ist dabei Teil des Alltags, wird aber oft nicht als solcher erkannt. Wer ihn sichtbar macht, offen kommuniziert und bewusst gegensteuert, schützt nicht nur die eigene mentale Gesundheit, sondern schafft auch mehr Klarheit und Wertschätzung im Miteinander.
Doch Veränderung beginnt nicht immer im System – manchmal beginnt sie bei uns selbst. Es braucht die Bereitschaft, über Belastung zu sprechen, sich zu vernetzen und aktiv nach Lösungen zu suchen. Denn Mental Load lässt sich nicht allein bewältigen, aber wir können entscheiden, ihn nicht länger stillschweigend hinzunehmen.
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