Gruselzeit im Recruiting

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Im Recruiting erlebt man immer wieder Unglaubliches. Bei aller Sorgfalt in der Vorselektion, kann ich nie so richtig vorhersagen was auf mich zukommt. Immerhin entstehen daraus Geschichten nach dem Motto «Das gibt es doch nicht!», die aber allesamt wahr sind. Ein kleiner Einblick…

Ungebetene Gäste

Eine junge Kandidatin erschien mit ihrer Mutter zum Interview. In der Annahme, dass diese ihre Tochter nur bis zur Tür begleiten wollte, begrüssten wir uns. Diese Annahme stellte sich als Trugschluss heraus. Die Mutter steuerte zielstrebig auf das Sitzungszimmer zu, nahm unaufgefordert Platz und machte es sich bequem. Der Tochter schien dies weder unangenehm noch unpassend. Auf meinen Hinweis, dass ich das Interview gerne ausschliesslich mit der der Tochter direkt führen möchte, erhielt ich zur Antwort: «Ich will schliesslich wissen, an welchen Ort Sie meine Tochter bringen und ebenso möchte ich Hilfestellung leisten, sollte sie bei einer InterviewFrage von Ihnen nicht weiterwissen …» Auf meine höfliche Bitte, doch im Nebenzimmer zu warten, blieb die Dame stoisch. Das Interview war rasch vorüber. In diesem Zusammenhang fallen mir weitere Interviewteilnehmer ein, die ich in der Vergangenheit begrüssen durfte: Ein Ehemann im Aufenthaltsraum, der mit Spannung den Ausgang des Interviews seiner Frau erwartete, ein Rauhaardackel, der friedlich unter dem Tisch das Gespräch seines Frauchens verschnarchte • Ein Rottweiler, der mit grimmigem Blick Respekt einflösste und mich dazu veranlasste, die Fragen etwas milder zu formulieren und zwei Babies in der Trageschale – da kurzfristig kein Babysitter aufgetrieben werden konnte.

Dress for Success

Noch häufiger als solche «Mitbringsel» zum Jobinterview, sind krasse Fauxpas im Auftritt. Noch nicht allzu lange her, ist die Begegnung mit der Kandidatin, die sich für eine CEO-Assistenzposition bewarb. Zur Begrüssung streckte sie mir forsch ihre linke Hand entgegen – dies nicht etwa aus Unhöflichkeit – nein – mit der rechten Hand hielt sie doch den Kaffeebecher einer bekannten Coffee Company fest umklammert, um aus diesem, nach einem genuschelten Grüezi einen grossen Schluck mit dem Strohhalm zu trinken. Im Sitzungszimmer angekommen, flog die Markenhandtasche mit Schwung auf den Konferenztisch, die Dame nahm Platz. Leicht irritiert tat ich es ihr gleich. Mit dem Interview beginnen konnte ich allerdings erst, nachdem die Kandidatin ihr Handy aus der Tasche gefischt hatte, um «nur nochmal ganz rasch die Nachrichten zu checken» – Sie ahnen es, auch dieses Gespräch war von kurzer Dauer.

Ähnlich verlief ein Skype-Interview mit einer anderen Bewerberin – ebenfalls auf der Suche nach einer neuen Herausforderung für einen CEO-Assistenzposten. Die Dame präsentierte sich dem neuen Vorgesetzten in einem rosafarbenem Jogging-Dress, die Haare in einer – nennen wir es „kreativen Lösung“ – mittig am Oberkopf zusammengewuschelt. Nach dem Interview erkundigte sich unser Klient, ob es möglich sei, dass sich auf der «Anzugkombination» der Kandidatin Einhörner befunden hätten. Nicht unerwähnt liess er ausserdem, dass das Gespräch vor aufgerollter Yoga Matte stattfand und mit schöner Regelmässigkeit die Katze der Kandidatin durchs Bild kreuzte. Auf vorsichtiges Nachfragen bei der Kandidatin, erntete ich einen unwirschen Kommentar: «Meine Kleidung sagt nichts über meine Qualifikation als Assistentin aus. Sie haben das Interview schliesslich auf 20 Uhr gelegt. Da habe ich eben vorher immer Yoga und am Abend ist auch meine Katze zu Hause.»

Wenn es um Interview-Geschichten aus der Kategorie «Das gibt es doch nicht» geht, sind die Erfahrungen leider oft allzu real. Man liest zwar immer wieder, dass Kleider Leute machen und welche Fettnäpfchen man bei Job-Interviews zu umschiffen hat. Offen bleibt die Frage, wieso diese Informationen es so schwer haben, bei den richtigen Kandidatinnen anzukommen.

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